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Vertrag mit Anwalt kann Fernabsatzvertrag sein und ist dann widerrufbar

Das Amtsgericht Düsseldorf hat in einer aktuellen Entscheidung (Urteil vom 16.11.2016, Gz. 24 C 303/15) eine Kanzlei für Medizinrecht zur Rückzahlung der Rechtsanwaltsgebühren verurteilt, nachdem der Mandant der Vertrag aufgrund des Vorliegens eines Fernabsatzvertrags nach § 312b a.F. BGB widerrufen hat.

Der Kläger hatte die verklagte Kanzlei nur per Telefon, Email und Brief kontaktiert. Er hatte die Unterlagen und eine Vollmacht sowie eine schriftliche Schilderung der Tatsachen per Post verschickt. Wochenlang hatte er nichts von der Kanzlei gehört. Telefonisch war immer eine Sekretärin dran, die nicht zu dem zuständigen Rechtsanwalt durchstellte. Der Mandant ging davon aus, dass hier nichts mehr geschähe. Er schrieb eine Email, wonach er zeigte, kein Interesse mehr an einer Fortsetzung der Vertretung durch die beklagte Kanzlei zu haben. Danach ging er zur einer anderen auf Medizinrecht spezialisierten Kanzlei. Diese stellte fest, dass bereits ein Schreiben an das gegnerische Krankenhaus von der beklagten Kanzlei verschickt worden war, allerdings ohne Kenntnis der vollständigen Patientenunterlagen. Dieses basierte allein auf die Angaben des Mandanten. Dieses Schreiben ging dann auch dem Mandanten zu einschließlich einer Rechnung, welche allerdings bereits von der vorhandenen Rechtsschutzversicherung ausgeglichen worden war. Da diese nicht zwei Rechtsanwälte bezahlt, entstanden dem Mandanten plötzlich doppelte Anwaltskosten. Damit war der Mandant nicht einverstanden und verklagte die zunächst beauftragte Kanzlei. Er begründete dies damit, dass die Kanzlei zu spät und fehlerhaft tätig geworden war und nur hilfsweise stützte er seine Klage auf den Widerruf nach der Fernabsatzrichtlinie. Da dem Mandanten kein Rechtsnachteil aufgrund der verspäteten oder vermeintlich fehlerhaften Leistung der Kanzlei erwuchs, war diese Begründung nicht durchgreifend.

Allerdings stellte das Amtsgericht Düsseldorf fest, dass die Voraussetzungen für ein Fernabsatzgeschäft vorlagen. Voraussetzung ist nicht nur der Abschluss des Vertrags ausschließlich über Fernkommunikationsmittel, sondern auch dass die Anbahnung von Verträgen auf einen für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystem erfolgt. Angesichts der guten Internetpräsens der Kanzlei, die Möglichkeiten der Kommunikation über den elektronischen Emailverkehr und die Verteilung der Kanzlei über mehrere Standorte in Deutschland lag diese Organisationsstruktur nahe. Die beklagte Kanzlei bestritt auch nicht, dass sie diese Organisationsstruktur aufweisen würde. Vielmehr bestritt sie die grundsätzliche Anwendbarkeit des Fernabsatzgesetzes auf Rechtsanwälte. In der Vergangenheit gab es lediglich ein einziges Urteil, das die Anwendbarkeit auf eine Rechtsanwaltskanzlei zwar annahm, allerdings aufgrund der hohen Spazialisierung im Bereich des Kapitalmarktrechts dies als absolute Ausnahme ansah (AG Offenbach v. 09.10.2013, Gz. 380 C 45/13). Das AG Charlottenburg hatte diese Frage noch verneint (AG Charlottenburg v. 15.09.2015, Gz. 216 C 194/15), da es grundsätzlich annahm, dass der Gegenstand des Anwaltsvertrags eine individuelle, auf den konkreten Sachverhalt maßgeschneiderte, persönliche Dienstleistung eines fachkundigen Rechtsanwaltes sei. Weil Fernabsatzverträge auf eine homogene, immer gleiche und widerholende Geschäftsabschlüsse zielt, war das AG Charlottenburg der Meinung, dass Sinn und Zweck der Fernabsatzrichtlinie sei, den Verbraucher vor solchen nicht individualisierbaren Geschäftsabschlüssen zu schützen. Nunmehr liegen drei Urteile mit unterschiedlichen Ergebnissen vor. Das eine lehnt die Anwendbarkeit auf Rechtsanwaltsdienstleistungen vollständig ab. Das nächste lehnt ebenfalls ab, lässt aber Ausnahmen zu. Das neue Urteil bestätigt dagegen eine grundsätzliche Anwendung auf die Rechtsanwaltsdienstleistungen.

Nach hiesiger Ansicht hat das AG Düsseldorf recht, wenn es sich strikt an den Wortlaut des Gesetzes hält. Denn wenn eine Kanzlei sich spezialisiert hat, lassen sich Abläufe zur Anbahnung von Mandaten leicht verallgemeinern. Dann findet auch zunächst keine maßgeschneiderte auf den Einzelfall abgestellte Dienstleistung mehr statt, sondern eine inhaltliche Wiederholung der Tätigkeit des Anwalts. Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Arzthaftungsmandate vom Ablauf und von der rechtlichen Materie her immer sehr ähnlich ablaufen. Eine Standardisierung der Abläufe findet bei Spezialkanzleien in der Regel statt. Hinzu kommt, dass kaum eine Kanzlei noch auf den elektonische Kommunikation verzichten kann. Insbesondere seit dem das bEA nunmehr funktioniert und in naher Zukunft für alle Anwälte verpflichtend sein wird. Es besteht auch überhaupt kein Grund die Anwaltschaft von den Regeln des Fernabsatzgesetzes auszunehmen. Gerade diese sollten in der Lage sein, durch eine individuelle Beratung die Voraussetzung für dessen Anwendung zu verhindern und gegebenenfalls durch eine Belehrung über das Widerrufsrecht zu informieren, wenn gerade ausschließlich über Email und Internetkommunikation der Vertrag abgeschlossen wurde.

Fazit

Das die Spazialisierung der Anwaltschaft fortschreitet und Verbraucher den Anwalt zunehmen nur fernmündlich kontaktieren, werden Streitigkeiten über die Anwendung des Fernabsatzgesetz auf Rechtsanwaltsdienstleistungen zunehmen. Entsprechen sollten
Rechtsanwälte darüber im Klaren sein, dass Mandate, die ausschließlich über Email, Telefon und Briefverkehr abgeschlossen worden sind, vom Mandanten widerrufen werden können. Im Falle eines wirksamen Widerrufs müsste der Anwalt seine Gebühren vollständig erstatten, selbst wenn er richtig und vollständig gearbeitet hätte. Dies zeigt gerade auch das Urteil des AG Düsseldorfs, wonach es gar nicht darauf ankam, ob der Anwalt zu spät oder fehlerhaft gearbeitet hat. Lediglich die Tatsache, dass kein persönliches Gespräch stattgefunden hat und dass über das Widerrufsrecht nicht belehrt wurde, machte seine sonst berechtigte Gebührenforderung zu nichte.

Rechtsanwälte sollten also anstreben, ein persönliches Gespräch mit dem Mandanten zu führen. Kommt ein solches nicht zustande, wäre eine Information über das Widerrufsrecht notwendig. Dann besteht alleinfalls eine Frist von zwei Wochen, in denen der Widerruf erklärt werden kann. Empfehlenswert ist die Aufnahme der Information des Widerrufsrechts in das Vollmachtsformular oder eines gesonderten Anhangs mit der Information bei der ersten Kommunikation mit dem potentiellen Mandanten.

Link zum Urteil des Amtsgericht Düsseldorf, Gz. 24 C 303/15 vom 16.11.2016

Autor:
Rechtsanwalt
Christian Lattorf

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