Wer einen nahen Verwandten durch einen Verkehrsunfall oder einen Arztfehler verliert, leidet oft erheblich darunter. Der Artikel befasst sich mit den Ansprüchen, die sich daraus ergeben, wenn der Tod schuldhaft durch einen Dritten hervorgerufen wurde. Dabei kann es sein, dass eine Person Anspruch auf drei unterschiedliche Schmerzensgeldbeträge haben kann.
- Das Hinterbliebenengeld nach Verkehrsunfall u.a.
Seit dem 01.07.2017 hat der Gesetzgeber in § 844 BGB festgelegt, dass nach einem Verkehrsunfall oder Behandlungsfehler die Hinterbliebenen einen Anspruch auf Hinterbliebenengeld haben.
Voraussetzung ist, dass ein besonderes Näheverhältnis zum Verstorbenen vorlag. Dies gilt für nahe Verwandte aber auch für Partner einer ehe- oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft, Verlobte, Stief- und Pflegekinder sowie Geschwister des Getöteten. Dabei muss der Verlust die Person emotional noch nicht einmal besonders treffen. Notwendig ist also nicht, dass ein besonderes Leiden oder gar psychische Beeinträchtigungen hierdurch entstanden sind. Mithin handelt es sich nicht um Schmerzensgeld im engeren Sinne. Allerdings muss der Tod durch einen Dritten schuldhaft hervorgerufen worden sein. Das heißt, dass mindestens leichte Fahrlässigkeit bei dem Handelnden vorgelegen haben muss.
Zur Höhe des Hinterbliebenengeldes gibt es gegenwärtig kaum Rechtsprechung. Die juristische Literatur geht davon aus, dass die konkrete Höhe im Wesentlichen vom Näheverhältnis abhängig ist. Dort hat man angenommen, dass der Anspruch zwischen 10.000 € und 20.000 € pro nahestehendem Angehörigen liegen wird.
Nunmehr sind mehrere Urteile bekannt geworden:
Das LG München hat am 17.5.2019 für den Sohn eines tödlich verunglückten Unfallopfers einen Wert von 5.000,- Euro für angemessen erachtet (12 O 4540/18).
Das OLG Koblenz hat in seinem Beschluss vom 31.08.2020 – 12 U 870/20 ein Hinterbliebenengeld einem Vater für den Tod des erwachsenen Sohns nach Verkehrsunfall 10.000,00 Euro angenommen. Dabei hat es ausgeführt, dass das Angehörigenschmerzensgeld niedriger sein müsse als das Schmerzensgeld durch einen Schockschaden.
Das Landgericht Tübingen (Urteil vom 17.05.2019, Gz. 3 O 108/18) hat entschieden: Witwe 12.000,00 Euro; Kinder je 7.500,00 Euro, Bruder 5.000,00 Euro.
Allerdings sind das lediglich erste Entscheidungen, die noch nicht obergerichtliche überprüft worden sind. Hier ist zu erwarten, dass weitere Entscheidungen ergehen werden, die auch über diese Beträge bis zu 25.000,00 Euro hinausgehen aber auch darunter bis zu 2.500,00 Euro liegen können. Wesentlich dabei ist immer wie der eigene Anwalt jeweils argumentiert. Es wird dabei darauf ankommen, wie nah das Näheverhältnis war. Der Tod eines frisch verheirateten Ehepartners wird anders zu beurteilen sein, als der Unfalltod der Schwester, mit der man 30 Jahre keinen Kontakt mehr hatte.
2. Eigenes Schmerzensgeld wegen Schockschadens
Besonders zu beachten ist, dass neben dem Hinterbliebenengeld auch ein eigenes Schmerzensgeld wegen eines sogenannten Schockschadens in Betracht kommt. Der Schockschaden kann dann geltend gemacht werden, wenn der Betroffene den Tod des nahen Angehörigen unmittelbar an der Unfallstelle miterlebt hat oder später durch die Nachricht über den Tod des Unfallopfers einen Schock erleidet.
Die durch den Unfalltod der Tochter schwer psychisch erkrankte Mutter hat im Urteil des OLG Frankfurt a.M. vom 19.07.2012 (1 U 32/12) in der zweiten Instanz 15.000,00 Euro an Schmerzensgeld (= Schockschaden) erhalten. Die erste Instanz ist noch von 35.000,00 Euro ausgegangen.
Im Urteil des OLG Frankfurt vom 11.03.2004 (Gz. 26 U 28/98) ging es um eine US-Bürgerin, die aus einem fahrenden Zug ausgestiegen ist und dabei ums Leben kam. Dem Ehemann wurden 15.000,00 Euro an Schmerzensgeld zugesprochen. Hier wurde ein hälftiges Mitverschulden angenommen, so dass das Schmerzensgeld eigentlich bei 30.000,00 Euro gelegen hätte.
Im Urteil des OLG Nürnberg vom 01.08.1995 (Gz. 3 U 468/95) wurden den Klägern ein Schmerzensgeld in Höhe von 30.000,00 DM (Ehegatte) und von 20.000,00 DM (Kind) zugesprochen. Heute würden Schmerzensgeldbeträge von 25.000,00 Euro und 18.000,00 Euro ausgeurteilt werden.
Das OLG Köln hat in seinem Urteil v. 12.09.2005, Gz. 16 U 25/05 für einen solchen Schockschaden 20.000,00 Euro als angemessen angesehen (bestätigt durch den Bundesgerichtshof, BGH, Urteil vom 18.07.2006, Az. X ZR 142/05).
Das LG Düsseldorf hat diesbezüglich auch schon 25.000,00 Euro ausgeurteilt. (Urteil vom 26. Juli 2018 – 3 O 250/15).
Im Ergebnis ist hier festzustellen, dass das Schmerzensgeld wegen Schockschaden fast schon regelhaft bei maximal 25.000,00 Euro liegt, auch wenn Ausreißer nach oben durchaus immer möglich sind (siehe oben). Aufgrund eines zu berücksichtigen Inflationsausgleichs (auch Indexanpassung genannt) wird es in Zukunft auch Beträge darüber hinaus geben.
3. Vererbtes Schmerzensgeld
Der Verstorbene kann in vielen Fällen auch einen eigenen Schmerzensgeldanspruch gehabt haben. Denn bis zu seinem Tod wird er erhebliche Schmerzen, Todesängste und eben gravierende Verletzungen erlitten haben. Selbst wenn er sofort verstorben ist, können Schmerzensgeldbeträge in Betracht kommen. Je geringer die Überlebenszeit ist, desto restriktiver sind die Gericht und erkennen eher kein oder nur ein geringes Schmerzensgeld an. Das OLG Hamm hat für eine Schädelverletzung mit Bewusstlosigkeit und Tod nach 30 Minuten ein Schmerzensgeld von 2.500,00 Euro bemessen (v. 22.02.2001, NVZ 2002, 234). Das OLG Düsseldorf hat aufgrund der Todesangst für eine 10 Sekunden dauernde Absturzphase eines Flugzeugs ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000,00 Euro als angemessen bezeichnet (OLG Düsseldorf v. 12.10.11, Gz. 18 U 216/10).
Wesentlich ist, dass das Schmerzensgeld ein vererbbarer Anspruch darstellt, so dass der nahe Angehörige beim Miterleben des Todes das Hinterbliebenengeld, ein eigenes Schmerzensgeld sowie das vererbte Schmerzensgeld geltend machen könnte.
4. Sonstige Ansprüche nach Tod eines nahen Angehörigen
Nicht zu vergessen sind die Beerdigungskosten, die der Schädiger zu erstatten hat (§ 844 Abs. 1) sowie Unterhaltsansprüche (§ 844 Abs. 2 BGB). Dabei kommen letztere in Betracht bei Minderjährigen, die ein Elternteil oder bei Ehegatten, die den Hauptverdiener verloren haben. Nicht zu vergessen ist, dass auch Erwachsene gegenüber ihren hilfsbedürftigen Eltern unterhaltspflichtig sind. Wenn also die unterhaltspflichtige Tochter bei einem Verkehrsunfall ums Leben kommt und ein Elternteil finanziell unterstützt oder gesetzlich unterstützen müsste (§ 1601 BGB), so bestünde hier ebenfalls ein Ersatzanspruch gegenüber dem Unfallverursacher.
Nach meinen Erfahrungen aus der Praxis sind die Angehörigen der Opfer oft froh, wenn überhaupt ein Schmerzensgeld gezahlt wird. Dabei sollte man aber Art und Höhe der Ansprüche nicht unterschätzen und einen versierten Anwalt einschalten. Hierzu empfehle ich meine Kanzlei.
24.11.2023
Rechtsanwalt Christian Lattorf