Das Schmerzensgeld und die Ermittlung der angemessenen Höhe

Dieser Artikel befasst sich mit der Frage, die angemessene Höhe eines Schmerzensgeldanspruchs aufgrund eines Personenschadens nach Verkehrsunfall oder Arztfehler zu ermitteln, worauf es hierbei ankommt und wann man sich nicht auf die gängigen Schmerzensgeldtabellen verlassen sollte.

Im BGB ist geregelt, dass jemand einen Anspruch auf Schmerzensgeld hat, wenn er durch einen anderen einen Gesundheitsschaden erleidet.  Aufgrund der Formulierung „billige Entschädigung“ in § 253 BGB eröffnet sich für die Gerichte ein erhebliches Ermessen bei der Bestimmung der angemessenen Höhe des Schmerzensgeldes. Diese machen sich auf die Suche nach einem ähnlichen Fall aus der Rechtsprechung. Jedoch besteht eine besondere Herausforderung darin, einen vergleichbaren Fall zu finden. Denn in der Regel handelt es sich um eine höchst persönliche und individuelle Verletzung. Je genauer man die Auswirkungen der Verletzungen kennt, desto besser kann man den Fall einschätzen. Dies soll an einem Beispiel dargestellt werden:

Die HWS-Verletzung ist die häufigste Verletzung im Rahmen von Verkehrsunfällen. Allerdings können die Beeinträchtigungen zwischen leichten Nackenschmerzen bis hin zur Querschnittslähmung liegen. Eine übliche leichte HWS-Distorsion hat Auswirkungen von 2-3 Wochen. Bei längerer Dauer werden manuelle Therapien, Injektionen oder ähnliches angewandt. Hierbei mag ein Schmerzensgeld von 200 Euro pro Woche der Beeinträchtigung angemessen sein.

Dann gibt es HWS-Verletzungen, die stärke Beeinträchtigungen mit sich bringen. Sei es, dass ein Bandscheibenvorfall entstanden ist oder die Schmerzen nicht in wenigen Wochen verschwinden. Hier mögen dann Schmerzensgelder zwischen 1.000,00 Euro und 2.000,00 Euro gerechtfertigt sein. Sobald eine Operation notwendig wird, steigt das Schmerzensgeld auf mindestens 5.000,00 Euro.

Sollten sich neurologische Probleme, wie Kribbelparästhesien oder Taubheitsgefühle einstellen, so dass ein längerer Krankenhausaufenthalt notwendig würde, läge auch hier das Schmerzensgeld noch höher.

Im extremen Fall können auch Frakturen an den Wirbel auftreten, die gesondert zu behandeln sind und ebenfalls das Schmerzensgeld erhöhen. Dabei kann es vorkommen, dass dauerhafte Gesundheitsprobleme entstehen, wobei dann von einem Schmerzensgeld nicht unter 10.000,00 Euro auszugehen wäre. Wenn das Rückenmark betroffen ist, können extremste Dauerschmerzen oder Lähmungserscheinungen die Folge sein. Dann liegt das Schmerzensgeld je nach Auswirkungen zwischen 20.000,00 Euro und 40.000,00 Euro. Kann der erlernte und ausgeübte Beruf nicht mehr ausgeübt werden, wird das Schmerzensgeld nicht unter 40.000,00 Euro zu bemessen sein. Das gleiche gilt, wenn der Alltag und der Haushalt nicht mehr ohne Hilfe erledigt werden kann und Hobbys aufgrund der Verletzungen aufgegeben werden müssen. Besteht darüber hinaus eine Pflegebedürftigkeit oder eine Schwerbehinderung wird das Schmerzensgeld nicht unter 60.000,00 Euro liegen. Wobei man hierbei auch leicht schon in den Bereich von 100.000,00 Euro gelangen könnte, je nachdem welche Ausfallerscheinungen hier vorliegen und wie sehr sie den Alltag beeinträchtigen. Wenn eine teilweise Querschnittlähmung vorliegt, dann liegt das Schmerzensgeld bei über 150.000,00 Euro. Bei einer vollen Querschnittlähmung sollte nicht unter 200.000,00 Euro verlangt werden. Wenn es ein Querschnitt ab Nacken ist, sollte das Schmerzensgeld nicht unter 300.000,00 Euro liegen. Wenn dazu die Kommunikationsfähigkeit eingeschränkt ist, läge das Schmerzensgeld noch darüber hinaus.

Eine weitere Schwierigkeit kommt hinzu, wenn nicht nur eine HWS-Verletzung vorliegt, sondern zusätzlich weitere Verletzungen vorliegen. Dann ist das Schmerzensgeld nach oben hin anzupassen. Wesentlich sind die Dauer, die Intensität und die Art der Verletzung. Wobei ein Dauerschaden besonders zu beachten ist. Zudem ist das Alter des Betroffenen wichtig, da einem jungen Menschen für einen Dauerschaden mehr Schmerzensgeld zusteht, da er länger von dem Schaden betroffen ist.

Bei alledem sind für die Gerichte folgende Fakten besonders wichtig:

  • Dauer der Behandlung und Dauer der Arbeitsunfähigkeit
  • Anzahl der Frakturen, Prellungen, Schürfwunden
  • Anzahl der Operationen und Anzahl der Krankenhaustage
  • Liegt ein Dauerschaden vor und welcher Art ist dieser
  •  Grad der Behinderung
  • Minderung der Erwerbsfähigkeit
  • Pflegegrad
  • Bei Verbrennungen: der Anteil der betroffenen Hautoberfläche in Prozent
  • Hobbys, die nicht mehr ausgeübt werden können
  • Alter des Geschädigten

Diese Aufzählung ist nicht abschließend. Jeder Fall hat seine individuellen Besonderheiten, die dann bei der Ermittlung des Schmerzensgeldes zu beachten wären.

Die Schmerzensgeldtabellen stellen den zuvor entschiedenen Fall stark verkürzt dar und beschreiben nur die wesentlichsten Körperschäden. Bei geringfügigen Schäden und bei Verletzungen, die nur einen Körperteil oder ein Organ betreffen, kann man sich durchaus auf die Angaben solcher Tabellen verlassen. Sobald es aber um einen Fall mit mehreren Verletzungen (Polytrauma) geht oder um unterschiedliche Dauerschäden lässt sich kaum ein vergleichbarer Fall finden. Dann helfen die Tabellen meistens wenig.

Hinzu kommt, dass manchmal für ein und dieselbe Verletzung oft extrem unterschiedliche Schmerzensgelder ausgeurteilt werden können. Hier muss man dann tatsächlich auch mal die Entscheidung lesen, um die Gründe für die Abweichung festzustellen. Keinesfalls darf man ungeprüft den einen oder anderen Wert zugrunde legen. Denn nur einer der Werte kann richtig sein. Je mehr vergleichbare Entscheidungen man findet, desto sicherer kann die genaue Höhe festgestellt werden. Für die richtige Schmerzensgeldermittlung benötigt man also immer mindestens zwei unterschiedliche Entscheidungen mit ähnlicher Schmerzensgeldhöhe.

Liegen mehrere Verletzungen vor, zum Beispiel neben einem Armbruch auch ein Beinbruch, dann verbietet sich eine Addition der Ergebnisse zweier unterschiedlichen Fälle. Hier muss man schon den einen Fall finden, in dem ebenfalls beide Verletzungen vorliegen.

Eine besondere Schwierigkeit kommt solchen Fällen zu, in denen der Personenschaden einen bereits geschädigten Patienten betrifft oder eine ältere Person, die sowieso unter natürlichen degenerativen Ausfallerscheinungen leidet. Dies wird im Allgemeinen als Vorschädigung bezeichnet. Wesentlich ist dann die Unterscheidung, welche Beeinträchtigungen unfallbedingt sind und welche sowieso vorhanden wären. Die richtige Methode ist natürlich eine vergleichende Betrachtung und die Ermittlung der Höhe des Schmerzensgeldes für beide Gesundheitszustände, so dass man eine Differenz bilden kann.

Allerdings können Vorgeschädigte auch ein höheres Schmerzensgeld verlangen als Gesunde. Zum Beispiel wenn sich ein Beinamputierter durch einen Verkehrsunfall das noch vorhandene Bein bricht. Dann ist die Beeinträchtigung viel größer als wenn es einen Gesunden getroffen hätte. Der Verlust einer Niere durch einen Behandlungsfehler ist bei einem ansonsten Gesunden in der Regel nicht so gravierend als bei einem Menschen, der nur noch eine funktionstüchtige Niere hat. Hier helfen einem die meisten Schmerzensgeldtabellen eher nicht weiter. Zumindest sollte man die Besonderheit im Auge haben und eine Anpassung vornehmen, wenn man einen ähnlichen Fall gefunden hat.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass es bei Tod eines nahen Angehörigen ebenfalls ein Schmerzensgeld gibt – das sogenannte Hinterbliebenengeld. Der Anspruch besteht sobald feststeht, dass ein naher Angehöriger durch einen schuldhaft hervorgerufenen Unfall oder Arztfehler verstorben ist. Bei mehreren nahen Angehörigen z.B. bei vielen Geschwistern steht jedem das Schmerzensgeld zu.

Zum Autor:

Rechtsanwalt Christian Lattorf ist seit vielen Jahren auf dem Gebiet des Personenschadensrechts tätig. Er ermittelt auf eine Email-Anfrage die Höhe Ihres individuellen Schmerzensgelds kostenfrei.

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