Geburtshilfeschadensrecht

Typische Fälle

Der Artikel befasst sich mit dem Umgang von schweren Geburtshilfeschäden durch Hebammen und andere Geburtshelfer. Er zeigt typische Fälle auf, die regelmäßig vorkommen und wie die Betroffenen vorgehen sollten und welche Ansprüche im Einzelnen zu verlangen sind. Schließlich wird geraten, nur einen spezialisierten Anwalt auf diesem Gebiet einzuschalten.

Die Eltern von Paul* (*= Name geändert)  erzählten sehr sachlich, wie es ihrem Sohn geht, was er alles kann und besonders, was er alles nicht kann. Zunächst fiel es gar nicht auf, dass er mehr Pflegebedarf benötigte als andere Kinder. Motorisch lag er im Vergleich zu anderen Kindern zurück. Er konnte spät krabbeln und gehen. Das Artikulieren von richtigen Worten fällt ihm bis heute schwer. Paul ist körperlich und geistig schwer behindert. Erst im Alter von 5 Jahren sind die Eltern auf die Idee gekommen, dass bei der Geburt etwas falsch gelaufen sein könnte. Die Schwester erinnerte sich, dass bei der Geburt die Nabelschnur um den Hals des Neugeborenen gewickelt war. Über einen Rechtsanwalt ließen sie sich die Unterlagen kommen, um dies nachprüfen zu lassen.

Karsten und Sarah* hatten auf Anraten der Krankenversicherung einem Gutachtenverfahren über den medizinischen Dienst der Krankenkassen zugestimmt. Für sie überraschend war das Ergebnis, dass es während der Geburt von Heidi* zu einem Geburtshilfefehler gekommen sei. Man hätte damals bei der Geburt einen Notkaiserschnitt durchführen müssen. Stattdessen hatte man die Geburt mit Hilfe einer Saugglocke weitergeführt und so die Geburt um 10 Minuten verzögert. Im Gutachten heißt es, dass gerade diese 10 Minuten für den hypoxischen Hirnschaden ihres Kindes verantwortlich waren. Heidi befindet sich dauerhaft in einem Kinderpflegeheim für schwerbehinderte Kinder. Jeden zweiten Tag besuchen Karsten und Sarah ihre Tochter. An eine juristische Auseinandersetzung hatten sie bisher nicht gedacht. Sie hatten sich mit dem Schicksalsschlag abgefunden und die Umstände der Geburt weitgehend verdrängt. Nun sollten Sie ohne Rechtsschutzversicherung ein Verfahren einleiten und alles wieder aufrollen. Weil hier hohe Schadensersatzforderungen im Raume standen, ließen sie sich rechtlich beraten.

Die alleinerziehende Janine* wusste von Anfang an, dass bei der Geburt etwas schief gelaufen war. Nur beweisen konnte sie es nicht. Ihr Kind Eva* litt seit der Geburt unter einem schlaffen linken Arm. Man sagte ihr, dass Eva mit der Schulter steckengeblieben sei und dass so etwas immer vorkommen könne. Im MDK-Gutachten hieß es auch, dass der Verlauf schicksalhaft war und die Ärzte alles richtig gemacht hätten. Janine wollte dies nicht glauben und ließ dies juristisch überprüfen.

Es handelt sich um drei Fälle aus der Praxis, wie sie immer wieder vorkommen mit unterschiedlichen Schweregrad der Behinderung des Kindes. Die Eltern sind in der Regel massiv beeinträchtigt und Geschwisterkinder leiden ebenso wie die Eltern unter der familiären belastenden Situation. Das behinderte Kind bestimmt das gesamte Leben. Eine zusätzliche juristische Auseinandersetzung gegen die Geburtshelfer ist kaum zu verkraften. Nur die Sorge um das Kind und dessen ungewisse Zukunft bringt die Eltern dazu, juristischen Beistand zu suchen. Immerhin wurden in den letzten Jahren für schwere Geburtshelferschäden Schmerzensgeldbeträge zwischen 400.000,00 Euro und 600.000,00 Euro ausgeurteilt, teilweise zusätzlich mit Zahlung einer monatlichen Schmerzensgeldrente. In der Regel handelt es sich um Fälle, bei denen wie bei der kleinen Heidi es zu einem Gehirnschaden durch Sauerstoffunterversorgung gekommen ist. Der Fehler der Geburtshelfer besteht typischerweise darin, die Geburt zu spät eingeleitet zu haben, obwohl sichere Anzeichen für eine Unterversorgung bestanden haben. In der Regel kann dies auf dem CTG nachvollzogen werden, wenn mehrere tiefe Dezelarationen hintereinander aufgetreten sind. Hier wären die Geburtshelfer verpflichtet, eine Blutgasuntersuchung vorzunehmen, um die Unterversorgung auszuschließen. Wenn sie auch dies nicht durchgeführt haben, liegt neben dem groben Behandlungsfehler auch ein Befunderhebungsfehler vor, wodurch die Erfolgsaussichten ein Gerichtsverfahren zu gewinnen besonders gut stehen. Der grobe Behandlungsfehler, aber auch der Befunderhebungsfehler führt dazu, dass sich die Beweislast für die Kausalität zu Lasten der Geburtshelfer umdreht.

Grundsätzlich müssen die Patienten bzw. die Eltern des Kindes den Geburtsfehler, den Gesundheitsschaden und den Zusammenhang zwischen Fehler und Schaden beweisen. Oft steht nur der Gesundheitsschaden eindeutig fest. Durch ein Gutachten über die eigene Krankenkasse oder bei der Ärztekammer lässt sich ggf. auch der Behandlungsfehler nachweisen. Aber häufig wird in den Gutachten die Frage der Kausalität nicht bzw. nicht richtig beantwortet. So war es auch bei der kleinen Eva. Im Gutachten hieß es, dass anhand der Dokumentation ein fehlerhaftes Vorgehen nicht zu erkennen sei. Zudem könne die Schulterdystokie auch bei fachgerechtem Vorgehen entstehen. Später, im gerichtlichen Gutachten wurde dann ausführlich dargelegt, welche Maßnahmen in welcher Reihenfolge durchzuführen waren. Hier wurde deutlich dargestellt, dass nach der Dokumentation das McRoberts-Manöver nur einmal versucht und dann die Geburt fortgesetzt wurde. In diesem Zusammenhang muss es zu einem unsachgemäßen Zug am Arm gekommen sein, was den Nervenschaden verursacht hat. Aber die Geburtshelfer wandten ein, dass jedes andere Vorgehen möglicherweise dazu geführt hätte, dass sich die Geburt weiter verzögert hätte und es zu noch schlimmeren Ausfallerscheinungen hätte kommen können. Hier musste der Sachverständige entscheiden, ob das fehlerhafte Vorgehen einen groben Behandlungsfehler darstellte. Weil er dies auf mehrfaches Befragen durch den Rechtsanwalt und dem Hinweis auf die unterbliebenen zwingend notwendigen Maßnahmen bestätigte, drehte sich die Beweislast für die Kausalität um. Die Geburtshelfer konnten aber nicht beweisen, dass der Schaden sowieso eingetreten wäre und ggf. ein noch schlimmerer Schaden die Folge wäre, so dass das Verfahren für Eva trotz negativem Vorgutachten positiv beendet werden konnte.

Auch im Fall mit der kleinen Heidi konnte den Eltern juristisch gut geholfen werden. Neben dem hohen Schmerzensgeld wurden auch alle möglichen Zukunftsschäden verlangt. Hierbei handelt es sich um den Pflegeschaden, der bereits angefallen war und in der Zukunft laufend entstehen könnte. Aber auch um den zukünftigen Verdienstausfall. Nach allen vorgeburtlichen Untersuchungen wäre Heidi ohne Behandlungsfehler ein ganz gesundes und normales Kinde gewesen. Nach der Schule hätte sie sicherlich wie ihre Eltern studiert und einen gut bezahlen Beruf erlernt. Dieser Entgeltausfall wurde auf 30 Jahre hochgerechnet. Hinzu kam der Haushaltsführungsschaden, der oft vergessen und nicht einmal erwähnt wird. Heidi hätte üblicherweise ihren Haushalt alleine regeln können. Sie wird aber immer jemanden benötigen, der ihr den Haushalt erledigt und damit werden hohe Kosten entstehen, den die gegnerische Versicherung auch zu ersetzen hätte. Hinzu kommen alle Umbaumaßnahmen des Hauses, alle Zuzahlungen für Heil- und Hilfsmittel und die gesamten Fahrtkosten der Eltern. Allerdings gab es bei Heidi die Besonderheit, dass die Ärzte nur eine geringe Lebenserwartung prognostizieren, so dass die wesentlichen Zukunftsschäden überhaupt nicht anfallen würden. Der Anspruch richtete sich neben dem Schmerzensgeld auf eine monatliche Zahlung des Pflegegeldes und später auf die monatliche Zahlung des Entgeltschadens, begrenzt bis zum Ableben des Kindes. Aus diesem Grund wurden die Vergleichsverhandlungen forciert und ein für die Eltern zufriedenstellender Abschluss erzielt.

Nur im Fall von Paul waren keine Ansprüche durchsetzbar. Schon aus den Patientenunterlagen konnte kein Geburtshilfefehler entnommen werden. Zur Sicherheit wurden beide außergerichtlichen Gutachtenverfahren durchgeführt und ein Fehler klar verneint. Zwar konnte bestätigt werden, dass die Nabelschnur um den Hals des Kindes gewickelt war. Allerdings stellt dies ein häufig vorkommender Zustand dar. Der nur dann problematisch wird, wenn die Geburt ohne Rücksicht hierauf zu Ende geführt wird. Da das Kind über die Nabelschnur versorgt wird, kann das mehrfache Umwickeln der Schnur um den Körper des Kindes dazu führen, dass die Nabelschnur abgedrückt wird. Ferner kann es zu einer Verzögerung bei der Geburt kommen. Allerdings reagierte die Hebamme bei Paul vollkommen richtig. Nachdem sie die Umwicklung erkannte, löste sie die Nabelschnur mit zwei Griffen, so dass es auch zu keiner Verzögerung bei der Geburt kam. Über die Blutgasanalyse aus dem Nabelschnurblut wurde eine Azidose nicht festgestellt. Eine Sauerstoffunterversorgung war also bei der Geburt nicht vorhanden. Die Gegenseite vermutete, dass eher eine durch Alkohol induzierte Behinderung oder eine genetische Disposition vorlag. Hier waren keine Ansatzpunkte für eine Haftung vorhanden, so dass trotz Vorliegens einer Rechtsschutzversicherung kein gerichtliches Verfahren angestrengt wurde.

Das letzte Beispiel zeigt, dass nicht alle schweren Behinderungen auf einen Behandlungsfehler zurückzuführen sind. Die Eltern sollten immer auf das eigene Gefühl vertrauen und auch das Verhalten der Ärzte und Hebammen während der Geburt sich vor Augen führen. Die Gelassenheit der Geburtshelfer bis zum Ende der Geburt zeugen von einem guten Verlauf. Aber auch ein negatives Gutachten muss nicht gleich zum Aufgeben zwingen, wenn es Anlass für Zweifel gibt. Gut nachzuvollziehen ist, wie wichtig der richtige Anwalt für ein solches Verfahren ist. Zumal es sich einerseits um einen extremen Einschnitt im Leben der Eltern handelt und zum anderen, weil es um außergewöhnlich hohe und schwierig zu ermittelnde Ansprüche geht, die einen nicht spezialisierten Anwalt schnell überfordern können. Neben dem fachlichen Wissen ist auch ein besonderes Vertrauensverhältnis notwendig und ein emotionales Fingerspitzengefühl für die Belange der Eltern. Die Sorgen und Nöte sind in Fällen der Geburtshilfefehler außergewöhnlich und benötigen besondere Aufmerksamkeit. Wird das Schmerzensgeld nicht beziffert oder werden die Ansprüche nicht konkret berechnet bzw. nicht vollständig berücksichtigt, sollten Sie die Fähigkeiten des Anwaltes hinterfragen.

Wir helfen Ihnen gerne.

Wir unterstützen Sie in vielfältiger Hinsicht.

Kanzlei Christian Lattorf
Spezialist für Personenschäden und 
Fachanwalt für Medizinrecht 

Venloer Straße 308a
50823 Köln 

Tel.: (0221) 888 999 75
Fax: (0221) 888 999 76

Info@Rechtsanwalt-Lattorf.de
www.Rechtsanwalt-Lattorf.de